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Firmenlogo der Gebrüder Vohrer
(
© Klaus und Thomas Vohrer)
der Jahrhundertwende eine verstärkte Differenzierung in und unter den Kolonistendörfern,
aber auch zwischen Einwanderern und Ansässigen zur Folge. Einen Ausweg boten frühe
Gründungen von Erzeuger- und Absatzgenossenschaften.
Sieht man von den Belastungen durch Krieg und Bürgerkriege in den Jahren 1914 bis
1918
ab, so kann man bis 1918 (Gründungen der bürgerlichen Republiken Georgien und
Aserbaidschan) bzw. 1920/21 (Sowjetisierung) von einem wirtschaftlichen Aufschwung
der südkaukasisch-deutschen Winzerdörfer ausgehen. Dieser wurde geprägt durch bran-
chenführende und marktbeherrschend agierende Familienunternehmen, denen sowohl
Genossenschaften der kleineren Produzenten aus den Reihen der Kolonisten, aber auch zu-
nehmend russische Winzer und Spirituosenhändler gegenüberstanden.
Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte Helenendorf mit seinen Tochterkolonien
eine Entwicklung genommen, die sich mit folgenden Zahlen veranschaulichen lässt:
Der Wert aller öffentlichen Anlagen Helenendorfs betrug 405.000 Rubel, womit die
Kolonie auf dem zweiten Platz hinter Katharinenfeld lag. Seit 1822 existierte ein Bethaus,
1854-1857
wurde die St. Johannis-Kirche errichtet, bereits 1823 war eine erste Schule gebaut
worden, 1917 gab es neben der Grundschule ein Realgymnasium, eine komplette Strom-und
Wasserversorgung sowie Telefonverbindungen. DerWert des Privatbesitzes überragtemit 9,546
Mio. Rubel (davon 5,650Mio.. Rubel Weingärten, 1,140Mio.. Rubel Fabriken undWerkstätten)
den von Katharinenfeld (4,3 Mio. Rubel). Rechnet man die Beträge der Geschwister- und
Tochtergründungen hinzu, konzentrierte sich über die Hälfte des Privatbesitzes der deutschen
Kolonien Südkaukasiens im Gebiet Elizavetpol’.
Den entscheidenden Anteil hatten dabei zwei Familien: die Handelshäuser Vohrer und
Hummel.
Gebrüder Vohrer
In moderner Weise setzten die Brüder Vohrer die schwäbisch-
pietistischen Traditionen in ihremUnternehmen um. Bekannt als
größter Wein- und Kognakhersteller vor dem Ersten Weltkrieg,
war der Erfolg der Firma (wie auch nach der Sowjetisierung
der Erfolg der Genossenschaft „Konkordija“) nicht nur auf die
gute Qualität der Produkte zurückzuführen, sondern auch auf
die Organisation eines überregionalen Vertriebsnetzes und die
Errichtung von Nebenerwerbsquellen.
Die Geschichte des Hauses Vohrer geht auf das Jahr 1846
zurück, als Christopher Vohrer einenWeingarten auf einem rund
einenHektar großenStück seinerWirtschaftanlegte.Dabei achtete
er auf eine besondere Auswahl von Sorten, die den klimatischen
und Bodenbedingungen der Region angepasst waren.